Deepwater Horizon: Der Blowout verpufft im Nichts

Deepwater Horizon Filmplakat

USA, 2015
107 Minuten
Regie: Peter Berg
Kinostart: 24.11.2016

20. April 2010: Auf der Bohrplattform Deepwater Horizon kommt es aufgrund verschiedener Sicherheitsversäumnisse zu einem Blowout, bei dem die Plattform in Brand gerät und schließlich zwei Tage später untergeht. Sechseinhalb Jahre später können wir die Katastrophe, inszeniert von Peter Berg (Hancock, Lone Survivor)  und untersützt mit Starbesetzung auf der großen Kinoleinwand selbst hautnah erleben.

Über 100 Millionen Barrel Öl sollen 70 Kilometer von der US Küste entfernt im Golf von Mexiko gefördert werden. Das Team der Deepwater Horizon um den Cheftechniker Jimmy Harrell (Kurt Russell) ist beauftragt diese Förderung vorzubereiten. Doch ihnen sitzt die Zeit und die hohen Tiere von BP im Nacken, denn sie befinden sich bereits 43 Tage im Verzug. Auf Weisung des BP-Funktionärs Donald Vidrine (John Malkovich) wurden bereits die Mitarbeiter einer Servicefirma, welche wichtige Zementtests durchführen sollten, nach Hause geschickt – selbstverständlich ohne besagte Tests ordnungsgemäß durchgeführt zu haben. In Folge eines nur schlampig durchgeführten Tests der Bohrleitungen, bei dem falsche Daten auf dem Computer angezeigt werden, kommt es schließlich zum verheerenden Blowout, dem unkontrolliertem Ausschießen von Gas, Öl und Bohrschlamm an die Oberfläche, weshalb es mehrere Explosionen auf der Plattform gibt. Über 120 Menschen sitzen nun auf der Bohrplattform fest. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, während Techniker Mike Williams (Mark Wahlberg) versucht so viele Menschenleben wie möglich zu retten.

Klingt nach einem typisch amerikanischen Blockbuster Katastrophenfilm? – Ist auch einer! Tragischerweise beruhend auf wahren Geschehnissen, nichtsdestotrotz wurde die Katastrophe möglichst pathetisch inszeniert. Peter Berg lässt besonders in der zweiten Hälfte des Films keine Gelegenheit aus den amerikanischen Vorzeigemitarbeiter, der zum Helden wird, zu feiern.
Doch widmen wir uns vorerst der ersten Hälfte des Films: Zement. Was, Zement? Ja. In der erste Stunde des Films wird das Wort Zement in unterschiedlichsten Konstellationen so oft gebraucht, dass man es schon nicht mehr hören kann. Hintergrund sind die versäumten Zementtests des Teams, das von BP vorzeitig nach Hause geschickt wurde. Während des anfangs vorherrschenden Dokumentarfilmstils beobachten wir verschiedenste Besprechungen und Diskussionen rund um die versäumten Sicherheitstests. Die erwähnte Dokumentarfilmästhetik wird durch Texteinblendungen mit genauen Datums-und Zeitangaben noch unterstützt, die Kameraführung ist eher wacklig, alles wirkt als ob ein Fernsehteam die Geschehnisse auf der Deepwarter Horizon für einen Dokumentationsfilm über die Bohrplattform begleitet. Und all das wortwörtlich untermauert von Zement. Das Problem, dass die besagten Tests nicht durchgeführt wurden, wird dem Zuschauer so offensichtlich auf die Nase gebunden, dass dieser sich langsam am liebsten die Gehörgänge zementieren würde, nur um das Wort nicht mehr hören zu müssen. Warum genau dieses Zementproblem so oft am Anfang erwähnt wird, bleibt im Film indessen auch später unklar, denn dass der Blowout allein auf dem versäumten Zementtest beruht, erscheint eher unwahrscheinlich und wird dann plötzlich auch nicht noch einmal erwähnt.
Immerhin eine Funktion könnte das häufige Erwähnen jedoch haben: Der Film dürfte sich durchaus dazu eignen im Rahmen geselliger Partyrunden gelangweilter Studenten geschaut zu werden: Bei jeder Erwähnung von Zement einmal trinken! Allerdings steht zu bezweifeln, dass dies Peter Bergs Wunschdispositiv zum Anschauen des Films gewesen sein dürfte.

Kommen wir nun zur zweiten Hälfte des Films: Mit Eintreten des Blowouts wechselt auch die Ästhetik des Films vom Dokumentarstil zum typischen Katastrophenblockbuster. Die Leinwand strotzt nur so vor verschiedensten Explosions-und Feuereffekten, es gibt zahlreiche Nahaufnahmen auf die defekten Bohrleitungen und Mike Williams ist unser Held, der versucht gemeinsam mit Kollegin Andrea Fleytas (Gina Rodriguez) jedes einzelne Menschenleben zu retten. Dass bei all dem natürlich genau Mike und Andrea überleben werden, ist dem Zuschauer von Anfang an klar und nur zu vorhersehbar. Daran kann auch eine dramatische Szene kurz vor Ende des Films nicht rütteln und fesselt entsprechend nicht so stark, wie es Peter Berg wohl beabsichtigte.
Außer Mike Williams versuchen natürlich – wie es sich für den amerikanischen Katastrophenfilm gehört – auch andere Arbeiter der Ölplattform die Leben ihrer Mitmenschen zu retten und das sogar in dem sie ihr eigenes Leben bereit sind zu opfern. Nicht ohne jedoch ihre Schutzhelme zu tragen, welche immer wieder gut positioniert im Bild die amerikanische Flagge zeigen. Auch beim langsamen Zerfall der Ölplattform durch die Flammen darf eine Großaufnahme der amerikanischen Flagge in einer langen Einstellung natürlich nicht fehlen.

Inzwischen haben wir also fast alle Zutaten für einen gelungenen Standardkatastrophenblockbuster beisammen. Einzig und allein die großen Liebesemotionen fehlen noch. Doch auch die hat Peter Berg selbstverständlich nicht vergessen. Im Film gibt es immer wieder einzelne Szenen, in denen die Frau von Mike Williams, Felicia Williams (Kate Hudson) und seine Tochter zuhause gezeigt werden und auch dort die Lage emotional immer angespannter wird, sobald Felicia Williams von der Katastrophe erfährt. Inklusive hochgradig emotionaler Vereinigung der Familie am Ende des Films, bei der der Vater einfach nur traumatisiert und völlig am Ende seiner Kräfte auf dem Boden liegt und Frau und Tochter sich eng umschlungen tröstend zu ihm gesellen.

Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle, dass sich der Film übrigens an keiner Stelle dazu äußert, welch verheerende Umweltkatastrophe aus dem realen Blowout und dem Untergang der Deepwater Horizon folgte. Eine einzelne ölverklebte Möwe, welche panisch um ihr Überleben flattert, genügt Peter Berg um das Umweltthema zur Sprache zu bringen. Öl sehen wir kein einziges Mal ins Wasser strömen, obwohl Peter Berg doch auch daraus perfekte Katastrophenbilder hätte inszenieren können.
Übrigens sind im Jahre 2010 in Folge der Explosion der Bohrplattform noch über 3 Monate hinweg geschätzte 800 Millionen Liter Öl aus dem Bohrloch, welches bis zum 16. Juli 2010 nicht abgedichtet werden konnte, in den Golf von Mexiko ausgetreten.

Obwohl Peter Berg versucht die Ereignisse möglichst packend und spannend darzustellen, bleibt das tatsächliche Beklemmungsgefühl beim Zuschauer aus, der Film wirkt viel zu standardisiert und fesselt dadurch niemals wirklich. Einzig, dass durch den Film die Katastrophe überhaupt wieder in das Bewusstsein der Menschen gerufen wird, kann man dem Film wohl zugute halten, obgleich die daraus folgende drastische Umweltkatastrophe im Film nicht erwähnt wird.

Bilder: © StudioCanal

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